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Soziale Sicherung – Bring- oder Holschuld? - - - Dr. Klaus Wieder MdB

Juni 09, 2024

Soziale Sicherung – Bring- oder Holschuld?

 

Kaum etwas wird im Plenum des Deutschen Bundestags so heftig debattiert wie Fragen rund um das Thema Soziale Sicherung. Das ist auch verständlich, denn oft sind existentielle Interessen der Menschen berührt. Ganz gleich, ob es um die Rente, die Kranken- und Pflegeversicherung oder das Kindergeld geht: Immer geht es um wichtige Entscheidungen, die einen großen Unterschied im Leben vieler Menschen machen können.

Die gute Nachricht in diesem Zusammenhang ist, dass die soziale Sicherung in Deutschland auf einem sehr hohen Niveau ist. Dies gilt sowohl im internationalen Vergleich – kaum ein Land hat so stark ausgebautes Sozialsystem wie Deutschland – als auch im historischen Vergleich. Deutlich wird dies an der sogenannten Sozialleistungsquote. Die misst die Ausgaben für soziale Belange im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), also unserer jährlichen Wirtschaftsleistung. Diese Quote liegt aktuell bei rund 30 %. Bei einem BIP von gut 4000 Mrd. € bedeutet dies, dass wir jährlich rund 1200 Mrd. € für Soziales ausgeben, eine enorme Summe. Zu Beginn der neunziger Jahre, also kurz nach der Wiedervereinigung, betrug diese Quote 25 %, und in den sechziger Jahren waren es nur 20 %.

So erfreulich diese Zahlen auf der einen Seite sind, so sehr gilt aber zu bedenken, dass sie von zwei wesentlichen Faktoren abhängen. Zum einen erfordern sie, dass es hinreichend viele Menschen und Unternehmen gibt, die mit ihren Steuern und Abgaben diese riesigen Ausgaben erst ermöglichen. Und meistens bedeutet das eben auch, dass dahinter sehr harte Arbeit steckt. Egal ob Krankenpfleger oder Dachdecker, ob Erzieher oder Ingenieur: Immer steht am Anfang das Engagement und die Arbeitsleistung einzelner, mit dem der Staat Zugriff auf Steuergeld erhält.

Warum sage ich das?  Weil dieses System nur so lange funktioniert, wie es sehr viel mehr Einzahler als Leistungsempfänger gibt. Darum ist es auch so wichtig, dass wir eine starke Wirtschaft haben mit guten Jobs. Es kommt aber noch ein zweites Element hinzu. Doe sozialen Sicherungssysteme sind auch davon abhängig, dass wir alle verantwortungsvoll damit umgehen. Das ist übrigens ein Prinzip, das es nicht nur bei den Sozialversicherungen gibt. Auch im Bereich privater Versicherungen ist es extrem wichtig, dass die Versicherten mitarbeiten, etwa indem sie umsichtig fahren, ihr Haus gegen Einbruch schützen oder ihre Computer gegen Cyberattacken wappnen. Ohne dieses aktive Mitwirken, würde es keine private Versicherung geben. Sie wäre unbezahlbar.

Ähnlich verhält es sich aber auch im Bereich der sozialen Sicherungssystem, die wir geschaffen haben, um Menschen in Not zu helfen. Aber auch das erfordert, dass alle Menschen aktiv mithelfen, um das System nicht zu überlasten. Auch hier ist Eigenverantwortung unverzichtbar. Deshalb halte ich es auch für grundlegend falsch, wenn die Familienministerin Lisa Paus sagt, dass die Sozialleistungen eine Bringschuld des Staates sind. Meines Erachtens ist es Aufgabe der Menschen, die Sozialleistungen in Anspruch nehmen wollen, sich aktiv darum zu kümmern.

Das gebietet der Respekt gegenüber denjenigen, die die finanziellen Mittel hierfür aufbringen, zum Teil auch unter Inkaufnahme von etwas, dass sich „Arbeitsleid“ nennt. Nicht immer ist Arbeit nämlich nur Spaß. Oftmals strengt sie auch an. Manchmal sind die Arbeitsbedingungen auch nicht toll, weil es draußen kalt ist oder die Luft im Industriebetrieb schlecht. Und manchmal ist es einfach auch nur stressig, wenn Dinge auf Zeit zu erledigen sind. Die Liste ist lang.

Wenn die Familienministerin Paus nun von einer Bringschuld des Staates spricht, negiert sie diese Zusammenhänge. Der berühmte amerikanische Präsident John F. Kennedy hat einmal gesagt: „Frage nicht, was Dein Land für Dich tun kann. Frage, was Du für Dein Land tun kannst“. Von so einer Haltung, die für den Zusammenhalt und das Funktionieren unserer Sozialen Marktwirtschaft unverzichtbar ist und die unser Land so viele Jahre ausgezeichnet hat, scheint mir Frau Paus Lichtjahre entfernt.   

 

 

Erschienen in: Newsletter „Zwischen Rhein und Spree“ von Dr. Klaus Wiener MdB, 04/2024

www.klauswiener.de